Alfred Lichtenstein

Alfred Lichtenstein wurde 1901 in Königsberg geboren. Ab dem 14. Lebensjahr erhielt er privaten Musikunterricht. In den kommenden Jahren war der talentierte Flötist Schüler von Franz Witte und Max Brode in Königsberg sowie von Emil Prill in Berlin. Im Alter von 21 Jahren unterstützte die wohlhabende Familie seine Aufenthalte in San Francisco und Paris, wo er seine Musikausbildung bei Emilio Pugans, Gaston Blanquart, Phillipe Gaubert und Gabriel Pierné fortsetzte.

Bereits während des informellen Studiums bei bekannten Lehrern, der einzigen Form der musikalischen Ausbildung, die Lichtenstein genoss, begann er seine Konzertkarriere. Seinem Debüt in Berlin im Alter von 17 Jahren folgten bald darauf Tourneen durch Rumänien, Frankreich, Italien, Belgien, Skandinavien und Ägypten. Nach einem Konzert für die griechische Königsfamilie erhielt Lichtenstein 1921 eine goldene Flöte. Von nun an wurde er dem Publikum als „der Mann mit der Zauberflöte“ bekannt. Nach einer Reihe von sehr erfolgreichen Konzerten in den 1920er-Jahren spielte Lichtenstein 1930 für einen Monat am Varietétheater Scala in Berlin.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten änderte sich ab 1933 die berufliche Situation des jüdischen Musikers. Zwar durfte er noch bis 1936 konzertieren und bis 1939 unterrichten, jedoch wurden seine Studentengruppen auf „einzelne jüdische Personen“ und „private jüdische Musiklehranstalten“ begrenzt. 1939 gelang es Lichtenstein, zusammen mit seiner Frau Gerda und seiner Tochter Sylvia Deutschland zu verlassen. Die Familie ging zuerst nach Großbritannien und emigrierte kurz darauf nach Argentinien.

Während Lichtenstein in Deutschland bis 1933 eine erfolgreiche Karriere beschieden war, sah sein späteres Leben in Argentinien völlig anders aus. Da das Publikum kaum an Flötenmusik interessiert war, konnte er in Argentinien nicht als gefragter Musiker reüssieren. Er gab zwar noch Konzerte und spielte in lokalen Orchestern, doch für den Lebensunterhalt musste er nebenbei als Fotograf arbeiten und sogar als Stewart auf einem Schiff anheuern. Die „Arisierung“ des Familiengeschäfts in Deutschland sowie der Tod seiner Mutter, seiner Tante und seiner Schwester Anfang 1945 verschlechterten die ohnehin schon schwierige Situation Lichtensteins in Argentinien noch weiter.

Die Ausreise in die USA erschien Lichtenstein 1953 daher als eine Chance zur Verbesserung seiner Lebensumstände. Obwohl der Musiker zunächst über keine Arbeitserlaubnis verfügte, durfte er nach sechs Monaten in New York in die Musicians Union eintreten. Dadurch verbesserte sich in den folgenden Jahren tatsächlich die materielle Situation Lichtensteins, aber seine Ehe zerbrach.

Seit 1960 trat Lichtenstein zusammen mit der Pianistin Georgette Wegh auf, die acht Jahre später seine zweite Frau wurde. Obwohl das Duo in den nächsten Jahren in zahlreichen Konzertsälen und bei Freiluftkonzerten in Manhattan und Brooklyn auftrat, konnte Lichtenstein kaum nicht an seinen Bekanntheitsgrad der Vorkriegszeit anknüpfen. Auch der 1969 gegründete Internationale Alfred Lichtenstein Fan Club orientierte sich hauptsächlich an seiner Popularität in den 1920er-Jahren.

1975 besuchte Lichtenstein zum ersten Mal seit 36 Jahren die Stadt Berlin. Dies nahm er zum Anlass, einen Artikel „Flötenkonzert im Charlottenburger Schloss“ für das Wochenendmagazin der „New Yorker Staats-Zeitung und Herold“ zu schreiben. In dem Beitrag erinnerte er an das frühere Kulturleben Berlins während der 1920er- und 1930er-Jahre – von dem er ja selbst einst ein Teil war. Lichtenstein kehrte nicht dauerhaft nach Deutschland zurück. Er starb 1986 in Floral Park (New York).

Der dokumentarische Wert der Alfred Lichtenstein Collection des Leo Baeck Instituts ist kaum zu überschätzen, da sie die verschiedensten Aspekte seines Lebens als Musiker und Emigrant beleuchtet. Sie zeigt zum einen alle Etappen der Wanderung, die einen einschneidenden Lebensabschnitt nicht nur für Lichtenstein, sondern auch für andere jüdische Musiker aus Deutschland und Österreich bildete, und verdeutlicht zum anderen den langwierigen Prozess, den die Entwurzelung aus der Heimat und Einwanderung in ein anderes Land mit sich brachte und der bei Weitem nicht immer erfolgreich verlief.

Lebensstationen:

Königsberg - Berlin - Europa - Ägypten - Argentinien - New York

Literaturhinweise :

Alfred Lichtenstein Kolektion: http://search.cjh.org:1701/beta:CJH_SCOPE:cjh_digitool163453